Cranger Kirmes 2019
Kirmes oder doch das größte Volksfest Europas?
Das zweite kann man sofort beantworten: Nein!
Für alle Fans der Cranger Kirmes, noch eine herbe Enttäuschung, es ist noch nicht mal das größte Deutschlands. Die Wiesn, das Münchner Oktoberfest ist immer noch größer. Ein kleiner Lichtblick: Crange ist größer als die Rheinwiesen Kirmes, zumindest was die Besucherzahl angeht. Flächentechnisch sind die Rheinwiesen größer, aber wen interessiert die Fläche. Also Pott 1, Düsseldoofe 0. Damit jetzt keiner übermütig wird oder sich auf den Schlips getreten fühlt. Solange wir nicht offiziell die Metropole Ruhr werden, wird Düsseldorf wohl in allen anderen Statistiken die Nase vorn haben. Ach ja, um Fußball geht es hier nicht, da muss wohl auch keiner diskutieren!
Für alle die das hier lesen und sich im Ruhrgebiet nicht auskennen, die Cranger Kirmes findet in Herne im Stadtteil Crange statt. Genauer gesagt am und auf dem Cranger Markt. Den älteren dürfte Herne durch einen anderen Stadtteil bekannt sein. 1962 brachte die Band Friedel Hensch und die Cyprys den Schlager „Der Mond von Wanne-Eickel“ heraus. Ich finde Wanne-Eickel zwar schöner als Crange, aber die Kirmes ist doch um Klassen besser als das Lied. Aber das ist ja Geschmackssache. Schifffahrtsfreunde könnten Herne auch noch wegen seiner Lage am Rhein – Herne Kanal kennen. Ja große Überraschung, Herne liegt an eben diesem.
Ja was denn nun, Kirmes oder Volksfest?
Also ein Volksfest ist ein sich oft über mehrere Tage erstreckende volkstümliche im Freien stattfindende Veranstaltung mit verschiedenen Attraktionen.
Eine Kirmes ist ein Volksfest, das sich aus einer Kirchweihe entwickelt hat.
Beide Definitionen sind natürlich stark vereinfacht und ich bitte von Belehrungen abzusehen. Was man allerdings sehen kann, ist dass es völlig egal ist ob nun Kirmes oder Volksfest, ich brauchte einfach einen Aufhänger. Ich hätte diesen Beitrag natürlich einfach auch „Saufen auf Crange“ nennen können, aber wie hört sich das an?
Wichtig ist, dass die Cranger Kirmes jedes Jahr ab dem 1. Freitag im August ganz Herne – Crange für 10 Tage in Ausnahmezustand versetzt. Und dass wir jedes Jahr dabei sind, also wenn dem keine anderen wichtigen Termine entgegenstehen, wie z. B. Urlaub. Eingefleischte Fans allerdings planen ihren ganzen Sommer um dieses Fest herum. Und mit wir, meine ich diesmal ausnahmsweise nicht mich und Sam, sondern meine Familie. Der Hund kommt nicht mit! Warum? Ganz einfach, an diesen 10 Tagen werden über 4 Millionen Menschen über ein grob 6 Hektar großes Gelände getrieben, die meisten von Ihnen nur am Anfang nüchtern, der Rest gar nicht. Ich finde es schon grenzwärtig mit dem Kinderwagen so eine Veranstaltung zu besuchen, seinen Hund mitzunehmen ist für mich ganz klar Tierquälerei.
Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht!
Dieses Jahr haben wir uns mit Freunden verabredet und wollten mal wieder Samstags abends auf die Kirmes. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Wir waren gerade einmal in die Peripherie der Kirmes vorgedrungen und ich wusste wieder warum wir das schon so lange nicht mehr gemacht haben.
Ich muss zugeben, ich leide ein wenig an Klaustrophobie, also enge Räume sind nicht so meine Favoriten. Räume bezieht sich in diesem Fall nicht nur auf diese 4-eckigen ummauerten Dinger, sondern ganz allgemein auf den Platz um mich herum. Ich würde nicht sagen, dass ich dann in sinnlose Panik ausbreche, nein ich habe das mittlerweile recht gut unter Kontrolle.
Was passiert ist, dass ich schlechte Laune bekomme. Meine Frau sagt ich werde aggressiv. Ich halte das für übertrieben. Wie heißt es so schön: “I am not aggressive; I just have a short temper to bullshit!”. In diesem Zusammenhang ist Bullshit für mich zum Beispiel, wenn man auf seine Umgebung keine Rücksicht nimmt, sondern wild seinen Weg geht egal ob da schon ein anderer steht. Sprich ich kann es überhaupt nicht leiden angerempelt zu werden. Da ich jetzt aber 1,92 m groß und 140 kg (ja ich habe abgenommen) schwer bin, ist es nicht immer eine gute Idee mich anzurempeln, in der Annahme ich würde dann schon Platz machen.
Zwei Männer, zwei Frauen, ein Teeny und zwei Schisser
Alles in allem waren wir also 7 Personen, die versuchten sich durch die Massen zu bewegen, ohne sich zu verlieren. Zur Sicherheit hatten wir verabredet das sollten wir uns verlieren, wir uns am Riesenrad wiedertreffen würden. Ist das nicht herrlich „Old School“? Alle sieben hatten Handys dabei und jeder hatte die Nummern von allen anderen. Trotzdem würden wir uns am Riesenrad treffen. Die Männer besprachen schon, wie viele Biere man wohl auf dem Weg zum Riesenrad noch mitnehmen könnte, ohne unangenehm aufzufallen und wo man am unauffälligsten aus der Gruppe verschwinden könnte. Aber noch bevor die Planungen konkrete Züge annehmen konnten hatten wir schon einen der ersten Höhepunkte eines jeden Crange Besuchs erreicht.
Ein Stand mit eingelegten Gurken. Ja, lacht jetzt nicht, aber die eingelegten Gurken auf Crange sind echt super. Wir holen uns dort jedes Mal welche. Jeder gönnte sich eine Gurke auf die Hand und wir versicherten uns das der Stand auch auf jeden Fall bis zum Ende des Tages offen haben würde. Wir hatten die Gurken gerade verzehrt als auch schon die erste Empfehlung von Freunden vor uns auftauchte. Ein Backfischstand der hervorragend sein sollte. Also gab es direkt einen Backfisch mit Knoblauch Sauce.
Wie ihr sicher schon gemerkt habt, haben sich bei uns einige Traditionen ergeben, Gurken, Backfisch und natürlich auch einige Fahrgeschäfte. Eines dieser Fahrgeschäfte ist der Happy Sailor. Eine Abwandlung der klassischen Raupe bei dem sich die Wagen drehen können. Ein echter Spaß. Nicht zu schnell aber auch kein Kinderkarussell. Ich wollte schon losgehen und 7 Karten kaufen als ich hörte: “Da geh ich nicht drauf, das ist viel zu schnell.“, „Ich auch nicht!“
Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Ich möchte jetzt hier nicht näher darauf eingehen wer die beiden waren, muss aber zugeben das ich von einer der Personen schon ziemlich enttäuscht war. Nicht das ich es nicht gut fände, wenn man etwas das man nicht will auch aus Gruppenzwang heraus nicht tut. Oder ich kein Verständnis dafür habe das man einige Fahrgeschäfte nicht ausprobieren will. Mich kriegt zum Beispiel niemand auf große Achterbahnen. Aber jetzt echt mal, wir sprechen hier vom Happy Sailor, nicht dem Aeronauten. Da gehe ich übrigens auch nicht drauf, nicht weil ich nicht wollte, sondern weil ich nicht darf. Zu schwer. Manchmal hat Übergewicht auch Vorteile.
Zumindest war ab diesem Moment klar, wer an diesem Abend zum leiden verurteilt war. Um es vorweg zu nehmen, die beiden haben Humor bewiesen!
Nur ein paar Meter weiter gab es dann das erste Bier. Ein muss auf Crange, ist der Steinmeister, ein Bierstand aus Holz über zwei Etagen. Nicht unbedingt wegen des Bieres, aber die haben einen Gummibärenschnaps, der seines gleichen sucht. Wie gesagt ein absolutes Muss, für jeden der nicht als Fahrer gebrandmarkt ist.
Nicht drängeln, jeder nur ein Kreuz!
Nach dieser Stärkung wollten wir weiter und mussten feststellen, dass sich in der Zwischenzeit halb NRW auf der Kirmes eingefunden zu haben schien. Es ging praktisch nur noch im Gänsemarsch weiter und alle 5 Meter ging es gar nicht mehr weiter. Es ging soweit das sogar die Ansager der Losbuden nicht mehr über ihre super Hauptgewinne schwadronierten, sondern Ratschläge gaben wo es am besten weiterging, oder wie man zu einer Umleitung käme.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und ca. 200 Metern kamen wir an der Festhalle vorbei und beschlossen erst einmal dort einzukehren, in der Hoffnung das sich der Stau wieder auflösen würde. Wir hatten Glück, direkt in mehrfacher Hinsicht. Zum ersten war die Festhalle noch nicht voll, so dass wir tatsächlich noch Sitzplätze ergattern konnten. Zum zweiten spielte gerade eine Live Band und zum dritten spielten sie gerade ein Abba Medley. Dann bewiesen wir das man nicht unbedingt volltrunken sein muss, um auf Bänken und Tischen zu tanzen, ich bleibe aber dabei, dass es die Sache ungemein erleichtert. Nach einer Runde Hopfenkaltschale und Kalifornischem Landwein beschlossen wir weiterzugehen.
Pferd, wo ist ein Pferd?
Das nächste Highlight, zumindest für mich, war der Pferdemetzger Stand. Da ich auf Grund meiner Diät dieses Jahr auf diesen kulinarischen Genuss verzichten musste, versuchte ich meine Begleiter davon zu überzeugen den nächsten Snack doch hier einzunehmen. Vergebene Liebesmüh! Für alle anderen, wenn ihr da seid, versucht es. Es ist wirklich köstlich.
Also gingen, nein schlichen wir weiter, vorbei an einer Achterbahn, Richtung Box Bude. Bevor die Herren der Schöpfung in einer völlig sinnlosen Diskussion versuchen konnten, die Damenwelt von einem Besuch dieser Darstellung purer Männlichkeit zu überzeugen kamen uns unsere beiden Schisser dazwischen. Wir standen neben der Superrutsche und diese war sogar etwas für unsere beiden Angsthasen. In einem Anflug jugendlichen Leichtsinnes, entschieden wir beiden Herren uns ebenfalls zu rutschen. Ich muss zugeben, als ich endlich oben angekommen war, hätte ich erst mal eine Zigarettenpause gebrauchen können, um wieder zu Atem zu kommen. Aber nein, bevor es sich diverse andere Leute anders überlegen konnten, mussten wir sofort rutschen. Ich gebe zu, als ich die Höchstgeschwindigkeit erreichte, stellte ich mir kurz die Frage wie stabil die Absperrungen im Auslaufbereich wohl sind und ob ich oder der Schausteller verklagt werden würde, wenn ich sie durchbräche.
Aber es ist alles gut gegangen.
Haut von Gans, der kanns!
Wieder nur ein paar Meter weiter erwartete uns die nächste Tradition. Die Geisterbahn. Es gruselt sich zwar niemand mehr wirklich, aber es gehört einfach dazu. Während wir anstanden, erschien über uns immer wieder ein Mitarbeiter der Geisterbahn, der in schönster Horror Clown Manier geschminkt war. Für mich stand fest, der wollte uns während der Fahrt erschrecken. Ich nahm mir fest vor das ihm dies nicht gelingen würde. Ich war während der ganzen Fahrt so darauf konzentriert diesen Clown zu erspähen, dass mich kurz vor Ende der Fahrt ein Luftstoß so erschreckt hat, dass ich fast einen Herzinfarkt bekommen hätte.
Danach ließen wir es etwas ruhiger angehen und es gab erst mal die gewohnten Snacks. Champion Pfanne, Blumenkohl im Teigmantel und Eis. Fast am Ende unserer Runde, meldete sich dann unser Teeny zu Wort. Die Tochter eines Freundes, der leider verhindert war, wollte unbedingt auf den Infinity. Die Schlange war zwar endlos lang, aber was tut man nicht alles für die Kleinen. Direkt gegenüber des Infinity steht Willy der Wurm. Ein ausgewiesenes Kinderfahrgeschäft. Ratet mal wer da drauf wollte? Das ist ja nicht schlimm, wenn man ein Kind ist, aber wenn es sich dabei um eine 13 und 21-jährige handelt, die die Fahrt zwar super, aber an einer Stelle doch ein wenig schnell fanden, finde ich darf man sich doch fragen was da in der Erziehung falsch gelaufen ist.
Wasser Marsch!
Nun wartete nur noch die letzte Tradition auf uns. Der Rio Rapidos. Eine Art Wasserachterbahn. Nicht wirklich steil, nicht wirklich schnell, aber wirklich nass. Und jedes Jahr entpuppe ich mich dort als der wahre Schisser. Denn für mich gibt es nichts schlimmeres als kaltes Wasser. Also wurde ich wie immer als Kleiderständer missbraucht und wartete ab bis der Rest mit nassem Hintern und Rücken, dafür aber gut gelaunt zurück war.
Wir nehmen dieses Fahrgeschäft immer als Abschluss, da niemand wirklich Lust hat nass über Crange zu laufen. Also machten wir uns auf den Rückweg. Eigentlich um noch einen letzten Absacker in einer der vielen Heckenwirtschaften zu nehmen.
Das ist etwas was ihr wirklich mal ausprobieren müsst. Rund um den Cranger Markt geben sich viele Anwohner wirklich viel Mühe ihre Hinterhöfe und Einfahrten in gemütliche kleine Biergärten zu verwandeln. Mit größtenteils deutlich besseren Preisen als auf der Kirmes.
Leider waren meine Begleiter dieses Mal auf Rio Rapidos so nass geworden, dass sie ohne Absacker nach Hause wollten. Aber dass war schon in Ordnung, schließlich war ja schon Sonntag.
Also vielleicht sehen wir uns ja nächstes Jahr auf Crange. Ich werde dort sein.